Football Leaks - Von Gier, Lügen und geheimen Deals © NDR

Hintergrund

Football Leaks: Die Quelle nennt sich "John"

von der Football-Leaks-Redaktion des NDR

Ohne seine Dokumente wäre vieles im Fußball unentdeckt geblieben. Whistleblower "John" hat die Enthüllungsplattform Football Leaks aufgebaut. Das hat seinen Preis: "John" ist ständig auf der Flucht.

Die Gefahren lauern überall. John liebt vielleicht gerade deshalb die Nacht, wenn er in der Dunkelheit durch die leeren Straßen ziehen und taxieren kann, ob ihm nicht doch ein Verfolger auf den Fersen ist. Ein Whistleblower hat viele Feinde, wie wir spätestens seit Edward Snowden wissen. John ist nicht sein richtiger Name. Es ist ein Deckname. John ist vorsichtig, scheut das Licht der Öffentlichkeit und will komplett anonym bleiben. "Es ist hart, auf so viele Dinge verzichten zu müssen", sagt er. "Aber ich fühle, ich tue das Richtige." Eigentlich wissen wir nicht viel von John: Dass er ein junger Portugiese ist, der den Fußball liebt und so erhalten will, dass der Sport und nicht das Geld im Vordergrund steht. Ein Fußball-Romantiker?

"Fans füttern unkontrolliertes Monster"

John will nicht mit ansehen, wie seine geliebte Sportart vor die Hunde geht. Vor ungefähr drei Jahren hat er die Enthüllungsplattform Football Leaks aufgebaut. Es begann als Website mit vertraulichen Dokumenten aus der Fußball-Szene. Dubiose Verträge, obskure Vereinbarungen im Zusammenhang mit Transfers, aber auch Deals zwischen Vereinen, Spielern, Beratern und Sponsoren. Alles natürlich streng geheime Unterlagen, die unter Verschluss bleiben sollten. Die er und - wie er sagt - seine Mitstreiter aber öffentlich gemacht haben. "Transparenz und Gerechtigkeit" sind Johns Triebfedern, sagt er: "Die Fußballfans müssen verstehen, dass sie ein unkontrolliertes Monster füttern."

"Wir sind keine Hacker"

Nach kurzer Zeit sind es schon Millionen von Dokumente, die Football Leaks aus den verschiedensten Quellen zugespielt bekommen hat. Warum und von wem, das verrät John nicht. "Wir wissen überhaupt nicht, woher die Informationen stammen", sagt er und verweist auf das stetig wachsende Netzwerk. "Ich kann aber eines garantieren, wir sind keine Hacker." Nach allerhand vergeblichen Versuchen, ließ John Anfang 2016 einen ersten persönlichen Kontakt zu: Mit "Spiegel"-Redakteur Rafael Buschmann.

Ständig auf der Flucht

Bis heute ist der Journalist der Einzige, der John kennt und regelmäßig treffen kann. Konspirativ, versteht sich. Denn John ist misstrauisch und fürchtet immer und überall um seine Sicherheit. Tatsächlich sollen diverse Privatdetektive auf ihn angesetzt sein. Es wird sogar vermutet, dass Haftbefehle in einigen Ländern existieren. Wie John seine Flucht durch aller Herren Länder finanziert, weiß auch Buschmann nicht. John habe ihm mal erzählt, dass er mit Antiquitäten handele.

Meistgesuchter Mann im Fußball-Business

"Manchmal kann es sein, dass John einfach zwei Tage später kommt, und ich zwei Tage alleine sitze. Weil er sagt, dass ihm irgendjemand folgt oder weil er sich unsicher fühlt und er deswegen eine andere Anreise gewählt hat", sagt Buschmann in der ARD-Dokumentation "Football Leaks: Von Gier, Lügen und geheimen Deals" (Sonntag, 21.45 Uhr im Ersten). John ist ohne Zweifel der meistgesuchte Mann in der Fußball-Branche. Er lebt auf der Flucht, ist nie länger als drei Tage an einem Ort. Buschmann: "Wir versuchen so viele Hürden wie möglich einzubauen, um es Menschen, die ihn finden wollen, zumindest so schwierig wie möglich zu machen."

70 Millionen brisante Dokumente

Anfang dieses Jahres lieferte John ein weiters umfangreiches Paket an Football-Leaks-Dokumenten, die der "Spiegel" mit dem NDR und dem Recherchenetzwerk EIC geteilt hat. Der Fundus umfasst inzwischen rund 70 Millionen Dokumente auf über 3.400 Gigabyte. Ein Schatz für alle, die wissen wollen, wie die Fußball-Branche in ihren geheimen Zirkeln bisweilen Regeln und Statuten umschifft und aushebelt. Wie neue Wettbewerbe kreiert werden, welche die reichen Vereine immer reicher machen. Kurzum: Wie das Geld den Fußball beherrscht.

Whistleblower leben gefährlich

John wird weitermachen. Aufhören ist keine Option. "Niemals", sagt John und scrollt auf seinem Laptop weiter durch die unendlich scheinende Flut an brisanten Dokumenten. Es ist das erste Mal, dass er sich für die ARD-Doku vor eine Kamera wagt und filmen lässt. Von hinten, irgendwo in einem dunklen Hotelzimmer. Ganz in Schwarz, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Er trägt Handschuhe, obwohl sie das Navigieren und Schreiben am Laptop sichtlich erschweren. John ist schweigsam, niemand soll seine Stimme erkennen. Die Situation macht ihn ganz offensichtlich nervös. Pausenlos wippt er mit dem rechten Bein. Whistleblower leben gefährlich.

Das NDR Recherche-Team zu "Football Leaks"

Katrin Kampling, Sven Lohmann, Hendrik Maaßen, Han Park, Nino Seidel, Birgit Wärnke

Hörfunk-Umsetzung
Moritz Cassalette, Holger Gerska, Hendrik Maaßen

Online-Umsetzung
Andreas Bellinger, Matthias Heidrich, Thomas Luerweg, Sebastian Ragoß

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Dokus im Ersten | 04.11.2018 | 21:45 Uhr

Stand: 04.11.18 08:00 Uhr