Olympia-Geschichte

Long vs. Owens: Eine Geste für die Ewigkeit

von Andreas Bellinger, sportschau.de

Tatsächlich waren es nicht nur die starken Nerven, sondern vor allem auch die Tipps des Konkurrenten, die den ebenfalls 1913 geborenen James Cleveland "Jesse" Owens aus Oakville in Alabama vor dem Aus bewahrten. Das Pendeln zwischen Weitsprung und Vorlauf über 200 m hatte ihm ebenso zu schaffen gemacht wie die Kulisse der 100.000 Zuschauer im Olympiastadion. Long erkannte das. Er legte dem Konkurrenten vor dem entscheidenden letzten Versuch die Hand auf die Schulter und sagte: "Ich weiß, was in Dir vorgeht."

Freundschaft für einen Tag

Luz Long und Jesse Owens bei Olympia 1936 © NDR Foto:

Tipps für den Konkurrenten: Luz Long (r.) und Jesse Owens.

Was Long noch sagte, hat der 1980 gestorbene Owens seinem Enkel, Stuart Rankin, so erzählt: "Warum legst Du nicht ein Handtuch einen Fuß vor die Absprungmarke und nimmst das als Absprungpunkt?" Es folgte ein Wettkampf, in dem Long Bestleistungen aufstellte, Owens am Ende aber mit olympischem Rekord triumphierte. Long: "Der Kampf der Farben ist beendet. Schwarz einwandfrei der Beste: 19 Zentimeter vor weiß. Und weiß 13 Zentimeter vor gelb (der Japaner Naoto Tajima/Anm. d. Red.)." Die Freundschaft der Konkurrenten währte nur einen (Wettkampf-)Tag, Longs Geste aber blieb für die Ewigkeit. In seinen Memoiren schrieb Owens 1978: "Luz, Du hast mich zu meinen besten Leistungen motiviert."

Brundage verhindert Boykott

Dass Owens sich in Berlin am Ende als vierfacher Olympiasieger feiern lassen konnte, war ein schwerer Schlag für die Nazis - zumal das US-Team beinahe nicht angetreten wäre. Die USA wollten die Spiele in Nazi-Deutschland zunächst boykottieren, was Avery Brundage aber zu verhindern wusste. "In meinem Chicagoer Club haben auch keine Juden und Neger Zutritt", soll der spätere Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) nach Recherchen des Sporthistorikers Berno Bahro von der Universität Potsdam gesagt haben.

"24-Karat-Freundschaft"

Widerstand gegen das Nazi-Regime war auch Longs Sache nicht. Beim "Anschluss" Österreichs unterschrieb er - wie andere Aushängeschilder auch - ein sogenanntes Grußwort. 1940 trat er in die NSDAP ein. Bei einem Einsatz auf Sizilien wurde der Obergefreite Long schwer verwundet. Er starb am 14. Juli 1943.

Owens bewunderte zeitlebens den Mut der deutschen Olympia-Legende, sich vor den Augen Hitlers mit einem "Neger" angefreundet zu haben: "Man könnte alle  Medaillen und Pokale, die ich habe, einschmelzen, und sie würden nicht für eine Schicht über die 24-Karat-Freundschaft, die ich in diesem Moment für Luz Long empfand, reichen."

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 20.07.16 13:00 Uhr