Die Tischtennisspielerin Funke Oshonaike © Funke Oshonaike

Tischtennis

Funke Oshonaike: Der lange Weg zur Rekord-Olympionikin

von Matthias Heidrich

Sieben Olympia-Teilnahmen! Das hat vor Funke Oshonaike noch keine Tischtennisspielerin geschafft. Der sportliche Weg nach Tokio war für die in Hamburg lebende Nigerianerin weit - und trotzdem kein Vergleich zum Lebensweg der 45-Jährigen.

32 Minuten, länger dauerte Oshonaikes Rekord-Auftritt in Tokio nicht. Beim 1:4 gegen Juan Liu, die Nummer eins der USA, hatte sie am Samstag (24.07.2021) keine Chance. "Es tut weh, dass ich verloren habe", sagt Oshonaike der ARD. "Sie war heute besser als ich. Aber ich bin sehr, sehr stolz auf mich."

Dass die Mutter von zwei Kindern überhaupt zu ihren siebten Spielen reisen konnte, ist tatsächlich ein kleines Tischtennis-Wunder - und war alles andere als geplant. Nach Rio de Janeiro 2016, als sie Nigerias Fahnenträgerin bei der Eröffnungsfeier war, sollte eigentlich Schluss sein mit der Jagd nach den Ringen, die Oshonaike 1996 im Alter von 21 Jahren in Atlanta gestartet hatte.

Oshonaike: "Never say never"

"Sechs Mal reicht, habe ich gedacht Aber dann kam mir auf einmal in den Kopf: 'Okay, ich kann es noch mal probieren.' Nichts ist unmöglich - wie Toyota", erklärt die Nigerianerin und muss laut lachen.

Den Wendungen des Lebens mit einem Lächeln begegnen, das ist Oshonaikes Motto, das wird schnell klar. Aufgeben gilt nicht. "Never say never", wie es die 15-malige WM-Teilnehmerin ausdrückt.

Olympia-Geschichte

Die erfolgreichsten Olympioniken

Hilfe mit einer Stiftung in der Heimat Nigeria

Ohne diese Einstellung hätte es die in Lagos geborene Nigerianerin sicherlich nicht aus der Armut ihrer Kindheit herausgeschafft. Für den ersten Tischtennisschläger seiner Tochter musste sich Oshonaikes Vater Geld leihen. Eine gute Investition. Das junge Talent wurde besser und besser, verdiente auf Tischtennis-Tourneen für nigerianische Verhältnisse viel Geld. Parallel zu den Preisgeldern wuchs auch das Zuhause der zwölfköpfigen Familie Oshonaike. Von einem zu zwei, später zu drei Zimmern, ehe sie ein Haus für ihre Familie mieten konnte. Never say never.

Die Tischtennisspielerin Funke Oshonaike © Funke Oshonaike

Funke Oshonaike vor den Ringen im Olympischen Dorf.

Mittlerweile fördert Oshonaike mit einer eigenen Stiftung sportbegeisterte Kinder in ihrer Heimat. "Es gibt sehr viele talentierte Kinder in Nigeria, aber sie sind leider sehr, sehr arm. Sie können sich keine Tischtennis-Ausrüstung kaufen." Zweimal im Jahr reist sie nach Nigeria und bringt Bälle, Schläger oder auch Schuhe mit. "Aber es ist nie genug."

Tumor aus dem Kiefer entfernt

Die 45-Jährige weiß, wo sie herkommt und will sich nicht beklagen. Anfang 2020, vor dem afrikanischen Olympia-Qualifikationsturnier in Tunesien, war ihr das Lachen allerdings vergangen. Ein kleiner Tumor musste aus ihrem Kiefer entfernt werden. Dann gab es Folgeprobleme. Ein weiterer, größerer Eingriff an den unteren Zähnen wäre nötig, befanden die Ärzte.

Oshonaike entschied sich dagegen, trat in Tunesien unter Schmerzen an, löste aber trotzdem das Ticket für Tokio. "An dem Tag habe ich geweint wie ein Baby. Weil ich es nicht erwartet hatte."

Roboter-Training im Corona-Lockdown

Zurück in Deutschland kamen Corona und der erste Lockdown. Trainingsmöglichkeiten? Für eine Zweitliga-Spielerin vom SC Poppenbüttel schwierig bis unmöglich. "Die Verlegung der Spiele war gut für mich", meint sie rückblickend. Im zweiten Lockdown im Herbst "habe ich immer mit einem Tischtennis-Roboter trainiert". Not macht erfinderisch. Aufgeben gilt nicht.

Zu Hause wartet die Arbeitslosigkeit

Jetzt ist sie in Tokio, allen Widrigkeiten zum Trotz. "Das ist ein unbeschreibliches Gefühl." Sie will es so lange wie möglich auskosten. Denn zu Hause in Hamburg wartet schon das nächste Problem. Der Retouren-Bearbeiterin bei Hermes wurde betriebsbedingt gekündigt. Die Tochtergesellschaft der Otto-Gruppe lagert die Arbeitsplätze nach Polen und Tschechien aus. "Ich hasse es, arbeitslos zu sein", sagt sie, ohne verbittert zu klingen. "Ich bin eine positive Frau. Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich vielleicht eine andere."

Vielleicht die für Paris 2024? Bis zu den nächsten Sommerspielen sind es ja nur drei Jahre. "Nach Paris fahre ich vielleicht als Zuschauerin", sagt Oshonaike und lacht noch einmal laut. "Als Spielerin will ich nicht mehr. Ich habe alles erreicht."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 22.07.2021 | 09:05 Uhr

Stand: 24.07.21 14:02 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
Stand nach 339 von 339 Entscheidungen.

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