Der Sea Forest Cross-Country-Course der Vielseitigkeitsreiter in der Bucht von Tokio. © sportschau.de Foto: Matthias Heidrich

Tokio

Medaillenträume auf Müll - Buschreiter-Besuch in der Bucht von Tokio

von Matthias Heidrich

Einst als Mülldeponie genutzt, hätte der Sea Forest Cross-Country Course in einem Medaillenrennen der schönsten Olympia-Sportstätten jetzt ohne Zweifel Chancen auf Edelmetall. Ein Besuch bei den Buschreitern und Derek di Grazia, dessen Kurs die klimatischen Bedingungen in Tokio berücksichtigt.

Derek di Grazia ist mit seinen 65 Jahren immer noch ein schneller Mann. Die zahlreichen Pressevertreter haben an diesem Morgen auf dem Sea Forest Cross-Country Course jedenfalls einige Mühe, dem Amerikaner zu folgen. Sonnenhut, Sonnenbrille, Wasser und festes Schuhwerk: Der drahtige Designer des Geländeparcours der Vielseitigkeitsreiter ist bestens ausgerüstet für den Besichtigungsgang über das Gelände. Es ist noch früh am Morgen, aber die stechende Sonne über Tokio ist schon da und tut ihr gnadenloses Werk.

In der Hitze hetzt di Grazia von Hindernis zu Hindernis, nimmt sich zwischendurch aber viel Zeit, den Kurs und seine Herausforderungen zu erklären. "Es war ein aufregendes Projekt und eine Ehre, hier etwas aus dem Nichts heraus zu erschaffen", sagt der frühere Buschreiter. "Wir sind sehr glücklich mit dem Ergebnis."

23 Hindernisse auf 4.420 Metern

Am Freitag (30.07.2021/ab 1.30 Uhr im Sportschau-Livecenter) starten die Vielseitigkeitsreiter mit der Dressur in ihren olympischen Wettkampf. Montag (2.8.2021) beim Springen werden die Medaillen vergeben, mit guten Chancen für Deutschland. Dazwischen, am Sonntag (1.8.2021), liegt der Geländeritt.

sportschau.de/olympia

Designer Derek di Grazia zeigt den Geländeparcours in Tokio

Auf 4.420 Metern haben die Reiter mit ihren Pferden 23 Hindernisse zu bewältigen, die besten unter ihnen werden es in einer Zeit unter acht Minuten schaffen. Als maßgebende Optimal-Zeit sind 7:45 Minuten veranschlagt. Ursprünglich sollte der Parcours länger sein, doch nach den Erfahrungen aus einem Testwettkampf wurde er verkürzt. Tokios Sommer lässt grüßen.

"Die Geländestrecke ist wunderschön gebaut und wurde mit viel Mühe gestaltet. Es wird von Anfang bis Ende konzentriertes Reiten abverlangt, da einige anspruchsvolle Komplexe dabei sind, die nicht unterschätzt werden dürfen." Vielseitigkeitsreiterin Sandra Auffarth

Die Skyline der Olympia-Stadt auch. Der Geländekurs für die Vielseitigkeitsreiter ist auf dem sogenannten "Zentralen Wellenbrecher" angelegt - zwei künstlichen Inseln in der Bucht von Tokio. Einst als Mülldeponie genutzt, hätte der Sea Forest Cross-Country Course in einem Medaillenrennen für die schönsten Sportstätten jetzt ohne Zweifel Chancen auf Edelmetall.

Weniger Richtungswechsel

Derek di Grazia hat für die herrlichen Aussichten an Hindernis 13 auf die Rainbow-Bridge oder den Hafen von Tokio (Hindernis 23) keinen Blick. 16 Mal ist der Amerikaner in den vergangenen drei Jahren nach Japan gereist, um zusammen mit Baumeister David Evans aus Müll den Untergrund für Medaillenträume zu machen. Er hat das alles schon tausendmal gesehen. Er ist heute hier, um über den Parcours zu sprechen, der ganz bewusst wenige Richtungswechsel aufweist. Die machten die Pferde müde, so di Grazia. Er hat längere Streckenabschnitte eingebaut, die Reiter und Pferd zwischen den Sprüngen etwas Zeit verschaffen. "Bei heißem Wetter ist es besser, die Pferde am Laufen zu halten."

"Die Zeit wird auf diesem Kurs ein Faktor werden"

Was nicht bedeutet, dass es die Buschreiter hier leicht haben werden. Sechs Sprünge stehen bereits in der ersten Minute an. "Die Zeit wird auf diesem Kurs ein Faktor werden. Sie können nicht relaxen, das müssen die Reiter die ganze Zeit im Kopf haben", sagt er und ist schon unterwegs zum nächsten Hindernis.

Knapp eine Stunde ist der Tross nun schon unterwegs und alle bekommen eine Ahnung davon, warum der Geländeritt am Sonntag (1.8.2021) schon um 8.30 Uhr startet. Die Sonne brennt, trotzdem geht der Blick der Besucher immer wieder gen Himmel. Im Landeanflug auf den Flughafen von Tokio schwebt ein Jumbojet nach dem anderen zum Greifen nahe über den Sea Forest Cross-Country Course ein.

Di Grazia blickt nicht nach oben, sondern in die Zukunft. Nach den Spielen soll auf "seinem Kurs" ein Park entstehen. "Ich hoffe, die Menschen kommen dann hierher." Er weiß ja auch ohne hinzuschauen, welche Aussichten auf sie warten werden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 29.07.2021 | 00:50 Uhr

Stand: 29.07.21 16:48 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
Stand nach 339 von 339 Entscheidungen.

Alle Platzierungen | mehr