Die US-amerikanische Turnerin Simone Biles ist enttäuscht. © dpa-Bildfunk Foto: Marijan Murat/dpa

Turnen

Turnen: US-Star Biles steigt aus und deutet mentale Probleme an

Turn-Superstar Simone Biles ist beim olympischen Mannschafts-Finale in Tokio am Dienstag (27.07.2021) nach dem ersten von vier Geräten "aus medizinischen Gründen" ausgestiegen, wie der US-Turnverband offiziell mitteilte. Biles selbst verwies allerdings auf emotionale Probleme.

Nachdem die 24-jährige Nummer eins des erfolgsverwöhnten US-Teams die Notbremse gezogen hatte, reichte es in Tokio nur noch zu Silber. Doch nicht der verpasste Sieg, sondern der völlig überraschende Rückzug der Rekord-Weltmeisterin war das große Thema in den sozialen Netzwerken und löste eine Welle der Anteilnahme aus. Auch das Weiße Haus schickte eine Nachricht: Biles verdiene "Dankbarkeit und Unterstützung", twitterte Jen Psaki, die Sprecherin von Präsident Joe Biden: "Sie ist immer noch die Größte, und wir alle können uns glücklich schätzen, wenn wir sie in Aktion erleben."

Russland profitiert von Bales Aus

Gold ging an die russische Riege, die vom Aus der Ausnahmeathletin profitierte und erstmals seit 29 Jahren wieder den Mannschafts-Olympiasieg feierte. Mit 169,528 Punkten lag Russland knapp vor den USA (166,096), die den möglichen dritten Olympiasieg in Serie verpassten. Platz drei belegte Großbritannien (164,096).

Ergebnisse

Kunstturnen, Mehrkampf Mannschaft, Frauen, Finale

Gold Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC Wladislawa Urasowa / Angelina Melnikowa / Viktoria Listunowa / Liliia Akhaimowa
Silber Flagge USA USA Sunisa Lee / Jordan Chiles / Grace McCallum / Simone Biles
Bronze Flagge Großbritannien GBR Jessica Gadirova / Alice Kinsella / Jennifer Gadirova / Amelie Morgan
4. Flagge Italien ITA Vanessa Ferrari / Asia D´Amato / Martina Maggio / Alice D´Amato
5. Flagge Japan JPN Mai Murakami / Aiko Sugihara / Hitomi Hatakeda / Yuna Hiraiwa

Biles kehrt bandagiert in die Halle zurück

Die Rekord-Weltmeisterin Biles absolvierte im Finale nur den Sprung und blieb unter ihren Möglichkeiten - sie bekam die für sie ungewohnt niedrige Wertung von 13,766 Punkten. Anschließend verließ Biles mit dem Mannschaftsarzt der Amerikanerinnen die Halle, in die sie kurze Zeit später mit einer Bandage am rechten Bein zurückkehrte.

Am zweiten Gerät, dem Stufenbarren, wurde Biles von der als Ersatzfrau in der Startliste aufgeführten Jordan Chiles ersetzt. Die Ausnahmeturnerin sollte eigentlich an allen vier Geräten antreten.

Der US-Verband gab bekannt, dass Biles sich "aus einem medizinischen Grund" zurückgezogen habe. "Sie wird täglich untersucht, um die medizinische Freigabe für zukünftige Wettbewerbe zu bestimmen", hieß es. Darauf angesprochen sagte Biles: "Verletzung? Nein, nur mein Stolz ist ein bisschen verletzt."

Fokus jetzt auf mentaler Gesundheit

Unter Tränen erklärte Biles nach der Medaillenentscheidung dann auch selbst ihren Abbruch und deutete mentale Probleme an: "Ich musste tun, was richtig für mich ist und mich auf meine mentale Gesundheit fokussieren und nicht mein Wohlbefinden gefährden", sagte die US-Amerikanerin. Ihre persönliche Situation habe sich verändert: "Ich habe im Moment nicht das gleiche Selbstvertrauen wie früher. Ich bin nervöser, wenn ich turne und ich habe weniger Spaß."

Die Gründe dafür könnten tiefer liegen. Biles ist eines der vielen Missbrauchsopfer des früheren US-Teamarztes Larry Nassar. Die 24-Jährige war erst Ende Mai nach einer 587 Tage dauernden Wettkampf-Pause auf die Turn-Bühne zurückgekehrt. Noch im Juni hatte sie eingeräumt, dass es sie einige Zeit gekostet habe, ihre Liebe für den Sport wiederzufinden: "Nach allem, was ich durchgemacht habe, war es ein langer Weg, einfach wieder Simone zu sein."

Enormer Druck schon in der Qualifikation

Schon in der Qualifikation am vergangenen Sonntag (25.07.2021) hatte Biles nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen können. Allerdings war sie trotz zahlreicher Schnitzer Beste des Vierkampfes aus Boden, Schwebebalken, Sprung und Stufenbarren. Auf Instagram hatte sie sich am Montag (26.07.2021) über den enormen Druck beklagt. "Es war kein einfacher Tag oder mein Bestes, aber ich bin durchgekommen. Ich fühle mich wahrhaftig als hätte ich zurzeit die Last der Welt auf meinen Schultern. Ich weiß, ich bürste es ab und lasse es so aussehen als würde der Druck keinen Einfluss auf mich haben, aber verdammt, manchmal ist es hart hahaha", schrieb sie.

Viermal Gold in Rio

Biles, die 2016 in Rio im Mehrkampf, am Sprung, am Boden und auch mit der Mannschaft ganz nach oben aufs Podium turnte, wollte in der japanischen Hauptstadt gleich mehrere Rekorde brechen. Die nur 1,42 Meter große US-Amerikanerin wäre mit sechs möglichen Goldmedaillen an der Ukrainerin Larissa Latynina vorbeigezogen, die zwischen 1956 und 1964 neun Olympiasiege für die Sowjetunion holte. Danach sieht es nun nicht mehr aus.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 27.07.2021 | 00:10 Uhr

Stand: 28.07.21 02:27 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
Stand nach 339 von 339 Entscheidungen.

Alle Platzierungen | mehr