Nachwuchsjournalistin Nanaka Takahashi bei der Arbeit © ARD Foto: Julia Linn

Der Japan-Reiseblog von Julia Linn

Wie eine Teenagerin über die Olympischen Spiele berichtet

Was denken die Menschen in Tokio über Olympia? Die Frage stellen gerade unzählige Journalisten. Auch Nanaka Takahashi will das herausfinden. Sie berichtet wie ich über Olympia - nur dass sie erst zwölf Jahre alt ist.

Ich treffe Nanaka Takahashi an den Olympischen Ringen neben dem Nationalstadion, hier hat sie mich hinbestellt. Sie will zur Olympia-Stimmung recherchieren, ich begleite sie dabei. Nanaka hat einen internationalen Reporter-Wettbewerb für Kinder gewonnen und ist jetzt eine von 30 Kinderreporterinnen weltweit, die für eine US-Nachrichtenagentur berichten, News von Kindern für Kinder.

Sie kommt mit jeder Menge Koffern und einem ganzen Tross an Leuten zu unserem Treffpunkt. Für zwei Tage ist sie in der Stadt, gerade erst mit dem Zug aus Sendai angekommen, etwa 400 Kilometer nördlich von Tokio. Mein Kamerakollege und ich hatten sie und ihre Eltern erwartet, jetzt sind sie zu sechst. Ein anderes Fernsehteam hängt Nanaka und ihren Eltern an den Fersen.

TV Asahi, ein großer Sender in Japan, findet es auch berichtenswert, dass Nanaka hier ist, so weit so gut - aber wie sich rausstellt, finden die Kollegen es genau so berichtenswert, dass wir über sie berichten. Es nimmt absurde Züge an: Jetzt filmt das japanische Fernsehen, wie wir eine Kinderjournalistin filmen, die von ihrer Mutter gefilmt wird. Nach und nach kommen noch weitere Journalisten dazu. Woher sie sind - keine Ahnung. Ob sie wissen, worum es gerade geht - auch keine Ahnung.

Etikette ist Etikette, auch mit einer Teenagerin

Nachwuchsjournalistin Nanaka Takahashi bei der Arbeit © ARD Foto: Julia Linn

Wer filmt hier eigentlich wen?

Wie jeder Dreh in Japan beginnt auch dieser mit dem Austausch von Visitenkarten. Visitenkarten sind hier ein großes Ding, auch Nanaka mit ihren zwölf Jahren hat schon eine für mich parat. Wir tauschen unsere Karten aus, verbeugen uns dabei leicht, halten die Karte des anderen mit beiden Händen und schauen sie an - so gehört sich das in Japan. Eigentlich Quatsch, denn wir hatten ja schon Kontakt und kennen unsere Namen. Aber auch mit einer Teenagerin wird die Etikette eingehalten, erst recht, wenn uns das japanische Fernsehen beobachtet.

Schnell das Kidsreporter-Mikro aus dem Koffer kramen, Mama filmt mit dem Handy. Nanaka spricht ein paar Sätze direkt in die Handykamera - ihr Englisch ist perfekt, besser als das der japanischen Fernsehkollegen. Dann geht’s los mit den Interviews. 

Sumimasen - Verzeihung, was denken Sie über Olympia?

Alle, mit denen Nanaka an diesem Nachmittag spricht, freuen sich über Olympia. Ja, die Sache mit Corona ist nicht so gut, aber es sei für alle in Japan wichtig, dass die Spiele endlich gestartet sind. Ehrlicherweise war das auch nicht viel anders zu erwarten, wir stehen direkt vor den Olympischen Ringen, zwischen Olympia-Museum und Olympia-Stadion. Die Trefferquote für Olympia-Fans dürfte hier relativ hoch sein.

Ich frage Nanaka, was sie selbst denn denkt. Sie zögert kurz. Ich merke, eigentlich möchte sie nichts Schlechtes über die Olympischen Spiele sagen - wahrscheinlich auch, weil uns das japanische Fernsehen dabei filmt -, aber sie will mir auch ehrlich antworten. Sie ist Olympia-Fan, schaut sich die Wettbewerbe im Fernsehen an, aber sie hat auch etwas Sorge wegen Corona. Viele ihrer Freunde würden auch so denken. Trotzdem: Sie freue sich für die Athleten. Eine Antwort, die ich schon häufig hier gehört habe. Eigentlich Angst, aber der Stolz auf die Spiele im eigenen Land und die Gastfreundschaft überwiegen am Ende doch.

Genug recherchiert für heute, die Zwölfjährige ist voller Eindrücke, die sie jetzt in Ruhe aufschreiben will. Morgen möchte sie sich für ihre Story weiter umhören, ein paar Nicht-Olympia-Fans finden – aber vor allem nicht drölf verschiedene Fernsehteams an der Backe haben. Ihre Mutter hat es mit der Berichterstattung über ihre eigene Tochter wohl etwas zu gut gemeint.

 

ARD-Reporterin Julia Linn

Julia Linn

Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 25.07.2020 | 01:05 Uhr

Stand: 25.07.21 21:07 Uhr

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Aktueller Medaillenspiegel
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1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
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