Gianni Infantino © imago Foto: Manuel Geisser

Porträt

FIFA-Chef Infantino: Hoffnungsträger mit Imageproblem

von der Football-Leaks-Redaktion des NDR

Es ist gar nicht so schwer, aus dem beschaulichen Brig im Kanton Wallis bis nach Zürich zu kommen. Mit dem Auto braucht man vielleicht dreieinhalb Stunden dafür. Wenn man aber wie der dort am 23. März 1970 geborene Gianni Infantino Karriere als Fußball-Funktionär machen will, wird der Weg aus den Schweizer Alpen bis an die Spitze des Weltverbandes FIFA um einiges beschwerlicher. Und wie die Spurensuche in Infantinos Geburtsort vermuten lässt, bleibt dabei wohl auch das ein oder andere auf der Strecke.

"Gianni" veredelt mit Oliven

"Gianni kommt nicht als Überflieger daher, sondern als ganz normaler Mensch", sagt Daniel Nellen in der ARD-Dokumentation "Football Leaks: Von Gier, Lügen und geheimen Deals" (Sonntag, 21.45 Uhr im Ersten). Den Friseur des Ortes zieht es nicht in die weite Welt hinaus wie seinen berühmten Cousin. Aber stolz ist er auf ihn ohne Frage. In Brig scheinen das viele zu sein. Beim Bäcker wird "dem Gianni" auch gehuldigt. Als seine Wahl zum FIFA-Chef im Februar 2016 besiegelt war, wurde zu seinen Ehren ein Brot kreiert. "Gianni", das runde Roggenbrot, veredelt mit Oliven und getrockneten Tomaten, wird noch heute gebacken.

Ohne Rücksicht auf Unabhängigkeit

Doch Giovanni Vincenzo Infantino, wie es in seinem Pass steht, ist nicht überall so gut gelitten. Kritik entzündet sich an den Tricks, geheimen Deals und Mauscheleien, die mit seinem Namen verbunden sind. Wie Football-Leaks-Dokumente zeigen, die der "Spiegel" erhalten und mit dem NDR und dem Recherchenetzwerk EIC geteilt hat, kollidiert sein Handeln mitunter mit den Regeln und Statuten seines Verbandes. So war es, als Paris Saint-Germain und Manchester City mit den Milliarden von Euro aus Katar und Abu Dhabi gegen das Financial Fairplay verstoßen haben. Infantino sorgte in geheimen Treffen dafür, dass beide Clubs vor Sperren und harten Strafen bewahrt wurden. Ohne Rücksicht auf die Unabhängigkeit der Kontrollorgane.

Blatter: "Man darf den Fußball nicht verkaufen"

Dabei war Infantino einst als Hoffnungsträger des Fußballs gehandelt worden. Seine Stunde schlug, als die FIFA zu Beginn des Jahres 2015 im Sumpf von Korruption und zahlreichen Festnahmen zu versinken drohte. "Die Angelegenheit macht uns traurig, und wir haben die Schnauze voll", sagte der damalige UEFA-Generalsekretär Infantino, der das Amt des FIFA-Präsidenten nur kommissarisch übernehmen sollte. Nachdem der designierte FIFA-Präsident, Michel Platini, aber wegen dubioser Zahlungen von der FIFA-Ethikkommission suspendiert worden war, kandidierte der vierfache Vater. Er bereiste 70 Länder, trat kumpelhaft auf und für Weltfußballer Luís Figo war er der "beste Kandidat". Am 26. Februar 2016 trat Infantino die Nachfolge von Sepp Blatter an, der im Wallis quasi sein Nachbar war und inzwischen einer seiner härtesten Kritiker ist: "Man darf den Fußball nicht verkaufen", sagte Blatter im NDR Interview.

Ethik-Code nach seinem Gusto

Infantino spricht Englisch, Italienisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Arabisch. Das hilft, ein Image als Macher und Türöffner zu pflegen. Sein Streben nach Profit mutet bisweilen aber skrupellos an. Dabei soll seine Agenda auf drei Säulen basieren: Reformen und Good Governance, Demokratie und Partizipation sowie Fußballentwicklung. Die Gewalten müssten volle Unabhängigkeit besitzen, sagt er. In Wirklichkeit aber lässt er gute Führung und Unabhängigkeit nicht zu. Thema Ethik-Code: Bei der Ausgestaltung des sogenannten guten Gewissens der FIFA mischte sich der Präsident ein, obwohl das Gremium auch ihn kontrollieren soll. Das Wort Korruption kommt in dem Werte-Kodex seither nicht mehr vor.

"Projekt Trophy" vor dem Aus?

Rückschläge sind selten. Die geplante Club-WM und globale Nations League, für die unbekannte Investoren aus den USA und offenbar auch Saudi-Arabien angeblich 25 Milliarden Dollar zahlen wollen, wurde von den Gremien beim Kongress in Kigali (Ruanda) im Oktober jedenfalls abgeschmettert. Zunächst. Eine Task Force soll Vorschläge für die Wettbewerbe erarbeiten. Doch der Jurist hat einen langen Atem. Es ist wohl davon auszugehen, dass das "Projekt Trophy" somit noch lange nicht vom Tisch ist.

Rote Karte im Oval Office

Gianni Infantino spricht mit Donald Trump © imago Foto: Kevin Dietsch

Applaus im Weißen Haus: Gianni Infantino zu Gast bei Donald Trump.

Infantino sucht die Nähe der Mächtigen dieser Welt. Bei der WM in Russland war das überdeutlich und jüngst im Weißen Haus fast noch mehr. Eigens um dem US-Präsidenten zur Wahl als Ausrichter der WM-Endrunde 2026 in USA, Kanada und Mexiko zu gratulieren, war er nach Washington gekommen. "Jetzt sind Sie Teil des FIFA-Teams", sagte der FIFA-Präsident dem US-Präsidenten. Ein Etui mit Gelber und Roter Karte gab es obendrein mit dem Hinweis: "Falls Sie jemanden ausschließen wollen ..." Infantino im Oval Offiice? Eduard Brogli, Stadtschreiber im Städtchen Brig, hat es schon immer geahnt: "Dass kann ein Mann sein, der es mal weit bringt."

Das NDR Recherche-Team zu "Football Leaks"

Katrin Kampling, Sven Lohmann, Hendrik Maaßen, Han Park, Nino Seidel, Birgit Wärnke

Hörfunk-Umsetzung
Moritz Cassalette, Holger Gerska, Hendrik Maaßen

Online-Umsetzung
Andreas Bellinger, Matthias Heidrich, Thomas Luerweg, Sebastian Ragoß

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Dokus im Ersten | 04.11.2018 | 21:45 Uhr

Stand: 04.11.18 10:05 Uhr