Frank Busemann blickt in eine Glaskugel (Montage) © picture alliance, fotolia.com Foto: Sascha Baumann, Klaus Eppele

Sprung

Busemanns Olympia-Orakel: Alle Augen auf Weitspringerin Mihambo

In den Sprung-Wettbewerben in der Leichtathletik sind die deutschen Starter größtenteils Außenseiter, glaubt Leichtathletik-Experte Frank Busemann in seinem Olympia-Orakel. Große Hoffnungen ruhen auf der Weitsprung-Weltmeisterin.

Männer

Hochsprung

Der Europameister hat es doch noch geschafft. Mateusz Przybylko sitzt im Tokioflieger und will, dort angekommen, über Latten fliegen. Derzeit rangiert er auf Platz 75 der Weltrangliste, was nicht sein Anspruch ist, aber nach einigen Verletzungen ist immer noch Sand im Getriebe oder im Absprungfuß. Er wird versuchen, seine Saisonbestleistung von 2,23 Metern zu toppen und das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Der Überflieger der letzten Jahre, Mutaz Essa Barshim, Doppelweltmeister und Doppel-Olympiazweiter, will den einzig fehlenden Titel holen. Gold muss es sein. Die Zeit läuft gegen ihn, jetzt in Tokio muss es gelingen, die Biologie arbeitet langsam gegen den 30-Jährigen. Und aus den USA kommt ein Sprungwunder mit eingebauten Federn in den Beinen. Sieht seltsam aus, der springt aber verdammt hoch. Und der ist noch lange nicht fertig. Die nächsten Jahre könnten JuVaughn Harrison gehören. Glücklicherweise gibt es in der Leichtathletik keine B-Note. Drüber oder nicht, das ist hier die Frage. Anders wäre bei Harrison schlecht. Schön ist nämlich anders.

Stabhochsprung

Mondo Duplantis. Wer sonst? Jede Epoche braucht seinen Überflieger. Die 20er haben den Schweden. Renaud Lavillenie ist mittlerweile schon 35 Jahre alt (schrieb ich gerade vom alternden Barshim? Okay, aber den Franzosen zieht der Stab hoch) und mit 5,92 Metern in diesem Jahr noch verdammt gut. Der hatte sich aktuell aber den Fuß verstaucht und muss schauen, dass er rechtzeitig wieder fit wird. Der US-Boy Chris Nilsen wird in Abwesenheit von Teamkollege Sam Kendricks (Quarantäne nach Corona-Infektion) gehörig drücken, die Medaillenvergabe hinter Duplantis wird spannend. Und springt er Weltrekord? Könnte passieren.

Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre  beim Anlauf. © imago images / Beautiful Sports

Bo Kanda Lita Baehres persönliche Bestleistung liegt bei 5,81 m.

Ein Torben Blech in Winterform hätte vielleicht sogar in der Entscheidung um die Bronzemedaille mitzocken können, aber eine Corona-Infektion nach der Hallen-EM brachte ihn leider ein wenig aus dem Tritt. Oleg Zernikel und Bo Kanda Lita Baehre steigern sich pünktlich zum Jahreshöhepunkt und reisen in toller Form nach Tokio. Da muss für beide das Finale das Ziel sein.

Weitsprung

Puh, einmal tief durchatmen und Tasche packen. Fabian Heinle hat es im letzten Moment über das World-Ranking geschafft. Endlich mal eine gute Regel. Versteht man zwar nicht so richtig, aber wenn Flying Fabian dabei ist, ist die doch gar nicht so schlecht. Die Ausscheidung hat die Tücke mit den drei Versuchen. Wie bei den Mehrkämpfern, aber bei denen kommen noch acht Disziplinen zum Aufholen, bei den Spezialisten ist dann Feierabend. In der Weltrangliste finden wir Heinle auf Platz 145, aber… dann muss man mal die Liste bereinigen, immer nur drei pro Nation, dann muss man die ganzen Sprungschanzen und Glückssprünge rausrechnen und und und… wird trotzdem nicht leicht mit dem Finale. Also heißt es, Moment genießen, alles, was jetzt kommt, kommt obendrauf.

Spannend wird der Fight um Gold. Gewinnt der hochspringende Weitspringer oder der weitspringende Hochspringer JuVaughn Harrison, oder doch der griechische Spezialist Tentoglou? Oder doch wieder Henderson? Oder Dendy? Oder kommt Echevarria wieder? Oder Weltmeister Gayle? Das Feld ist gespickt mit Supergranaten. Sicher ist nur, wer gewinnen will, muss über 8,50 Meter springen. Das ist weit.

Dreisprung

Auch Max Heß, der Europameister von 2016, kommt so langsam wieder in die Gänge. Nach einigen Verletzungsproblemen ist er wieder jenseits der 17 Meter angekommen. Die benötigt man auch, um ins Finale der Besten einzuziehen. Schmerzlich vermissen werden die nicht vorhandenen Zuschauer den zweifachen Olympiasieger Christian Taylor, der sich die Achillessehne gerissen hat.

Max Heß beim Dreisprung © picture alliance/Perenyi Foto: Laci Perenyi

Max Heß scheiterte bei seinen ersten Olympischen Spielen 2016 in der Qualifikation.

Für alle anderen tun sich somit ganz neue Möglichkeiten auf, wobei der Weltjahresbeste Pedro Pablo Pichardo und Hallenweltrekordler Hugues Fabrice Zango für Sprünge an die 18 Meter gut sind, was erwiesenermaßen eher Weltklasse als Lückenbüßer ist.

Frauen

Hochsprung

Welch wunderschönes Bild das war: Imke Onnen realisiert, dass sie an den Olympischen Spielen teilnimmt. Ich könnte jedes Mal mitheulen. Freude pur. Sport und Emotion in Reinkultur. Für diese Momente betreiben die Athletinnen und Athleten die Schinderei und ordnen diesem großen Ziel alles unter. Und dann kommt die Belohnung. Herrlich! Für sie und Marie-Laurence Jungfleisch wird es um Saisonbestleistung gehen und mit einem superguten Sprung im ersten Versuch vielleicht das Finale zu erreichen. Das wird superschwer. Vorne hat die Wachablösung schon schleichend stattgefunden und ist nun auch offiziell besiegelt. Yaroslava Mahuchikh will möglichst gewinnen, was Vashti Cunningham verhindern will. Mit etwas Pech reichen zwei Meter in diesem Jahr nicht zu einer Medaille.

Stabhochsprung

Mit Lisa Ryzih hat die einzige deutsche Teilnehmerin leider verletzungsbedingt kurzfristig absagen müssen. Die Amerikanerin Katie Nageotte hat sich bisher in jedem (!) Jahr ihrer Stabhochsprungkarriere kontinuierlich verbessert und wird Gesetz der Serie irgendwann die Fünf-Meter-Marke schaffen und diese Entwicklung mit Gold in Tokio fortsetzen.

Weitsprung

Mit ihrem Sprung in größter Not auf 7,30 Meter bei der WM 2019 hat sich Malaika Mihambo unsterblich gemacht. Die Perfektion in Sachen Perfektion. Im letzten Jahr wäre der Olympiasieg fast reine Formsache gewesen, in diesem Jahr sind schon sechs Frauen weiter als sieben Meter gesprungen. Was fällt denen ein?! Mihambo hat in diesem Jahr ein paar Anlaufschwierigkeiten, die sie bis zum Finale noch in den Griff bekommen muss, aber wenn es eine schafft, dann sie! Trotzdem wird der Kampf um die Medaillen ein harter werden. Sie kann gewinnen, sie kann aber auch Sechste werden, ohne dass sie sich etwas vorwerfen müsste. Das wird einer der spannendsten Wettkämpfe der Frauenleichtathletik mit einem Herzschlagfinale, das hatten wir doch schon mal?! Na ja, knapp war das damals in Doha nicht. Nur am Balken. Nicht vor der Konkurrenz…. Jetzt höre ich aber mal auf zu schreiben. Merkt man, dass ich schon ein bisschen hibbelig bin? Nein? Na, dann ist ja gut…

Malaika Mihambo

Malaika Mihambo geht als amtierende Weltmeisterin in Tokio an den Start.

Machen wir also weiter mit Maryse Luzolo. Wer ihre Geschichte kennt, der macht jedes Mal einen Luftsprung und freut sich mit ihr, dass sie es bis nach Tokio geschafft hat. Nach der schlimmen Knieverletzung ist das ein Wunder, und das nächste Wunder ist, wie gut und rhythmisch sie springt. Und sie kann ins Finale der besten zwölf kommen.

Dreisprung

Kristin Gierisch ist endlich wieder da und voller Selbstvertrauen. Nach Trainer- und Standortwechsel schaut sie optimistisch auf Tokio und freut sich auf das, was da kommt. Das ist gut. Bei den Deutschen Meisterschaften noch von Neele Eckhardt geschlagen, machte sie danach keine Wettkämpfe mehr und konzentrierte sich auf das Training. Für Eckhardt wird nach der spannenden Hallen-EM, bei der sie nur einen Zentimeter hinter der Titelträgerin war, mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen ein rundes Jahr daraus. Beide können ins Finale der besten zwölf kommen, und mit ein bisschen Glück springt vielleicht sogar eine Top-sechs-Platzierung raus. Vorn ist alles klar, die Weltmeisterin Yulimar Rojas springt in ihrer eigenen Liga.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 29.07.2021 | 00:50 Uhr

Stand: 29.07.21 10:50 Uhr

Das ist Frank Busemann

Geboren:
26. Februar 1975 (Recklinghausen)
Disziplinen:
Zehnkampf, Hürdensprint
Sportliche Erfolge:
Olympia-Silber 1996 (8.706 Punkte)
WM-Bronze 1997 (8.652 Punkte)
U23-Europameister 110 m Hürden 1997 (13,54 Sek.)
Juniorenweltmeister 110 m Hürden 1994 (13,47 Sek.)
Auszeichnungen:
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis 2004
Sportler des Jahres 1996
Karriereende:
23. Juni 2003
Karriere nach der Karriere:
Vorträge/Seminare zum Thema Motivation
Buch-Autor
ARD-Leichtathletik-Experte
(Morgenmagazin, Das Erste, sportschau.de)

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
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